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Von: Carolin Gehrmann
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Erst wenige Wochen alt und schon so ein schweres Schicksal: Baby-Wolf Nuka wurde allein in Bayern gefunden. Nun wird das Findelkind in Niedersachsen aufgezogen – von einer besonderen Frau.
Hanstedt-Nindorf –„Nuka“ – kleiner Bruder – heißt der Wolfswelpe, der ganz frisch im Wildtierpark Lüneburger Heide eingezogen ist. Für sein zartes Alter hat er schon einiges hinter sich. Das Findelkind wurde am 10. Juni in Bayern, im Landkreis Rhön-Grabfeld, gefunden, wie das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) bestätigt. Demnach war er in einem schlechten Allgemeinzustand, vollkommen ausgehungert und dehydriert. Zwei Tage soll das hilflose Wolfskind allein in einem Waldgebiet unterwegs gewesen sein und verzweifelt geschrien haben, ehe es von Wanderern gefunden und in eine private Tierklinik gebracht wurde.
Dort untersuchte man ihn gründlich und entschied sich für den Versuch, das auf etwa sechs Wochen geschätzte Jungtier wieder mit seinen Eltern zusammenzuführen. Am 15. Juni wurde Nuka zurück in das Revier seiner Familie gebracht, schreibt der Verein Wolfsschutz Deutschland e. V. Doch diese Bemühungen scheiterten. Die Eltern kehrten nicht zurück, um ihr Kind abzuholen, sodass schnell eine andere Lösung für den Welpen gefunden werden musste, da dieser allein noch nicht überlebensfähig ist.
Sechs Wochen altes Wolfsbaby in Bayern gefunden – vollkommen ausgehungert und dehydriert
So kam es, dass Wolfsbaby Nuka nur kurze Zeit später, am 18. Juni, die lange Reise von Bayern in Richtung Niedersachsen antreten musste. Dort lebt es jetzt im Wildpark und wird von der erfahrenen Wolfsexpertin Tanja Askani aufgezogen, die schon viele Findelkinder und Waisen von wilden Wölfen aufgepäppelt hat. Eine Aufgabe, der sie mit viel Liebe und Herz nachgeht – die aber auch keine leichte ist.
„Aktuell haben wir noch rund um die Uhr mit dem Kleinen zu tun“, sagt die Wolfsexpertin auf Nachfrage von kreiszeitung.de. „Wir stehen ja noch ganz am Anfang und der Kleine ist ein wildgeborenes Wölfchen, das seine ersten Lebenswochen mit seinen Geschwistern und Eltern lebte und lernte, allem Fremden gegenüber misstrauisch zu sein. Das ist in der Natur überlebenswichtig.“
„Wildgeborenes Wölfchen“ Nuka hat gelernt, allem Fremden gegenüber misstrauisch zu sein
Das Wolfskind sei aktuell noch „sehr vorsichtig und geräuschempfindlich“ und reagiere „äußerst sensibel auf alle Reize, die es nicht kennt. Es wird rund um die Uhr betreut, um sich von den Strapazen der letzten Zeit zu erholen und hier anzukommen.“ Denn die Übersiedelung in den Norden war für den Welpen mit immensem Stress verbunden.
Auch stellte sich nach seiner Ankunft heraus, dass Nuka deutlich jünger ist, als zunächst angenommen. Daher benötige der Kleine eine intensive, seinem Alter entsprechende Betreuung. „Aktuell brauchen wir noch etwas Zeit“, sagt die Expertin. Nuka müsse zuerst einmal „ankommen“, sich an die neuen Alltagsabläufe gewöhnen und zu Kräften kommen.
Wolfswelpe „Nuka“ wird in Niedersachsen von bekannter Expertin aufgepäppelt
Die Expertin rechnet damit, dass in etwa zwei Wochen alles schon anders aussehen wird, wenn die erste Aufregung ein wenig nachgelassen und sich alles besser eingespielt habe, wie sie im Gespräch mit dieser Redaktion erklärt.
Nuka wird im Wildpark an ein Leben mit Menschen gewöhnt. Ein wilder Wolf wird er nie wieder werden, da eine Auswilderung nicht mehr möglich ist, wenn ein Wolf von Menschen aufgezogen wurde. In der Lüneburger Heide wird Nuka allerdings nicht dauerhaft bleiben. „In etwa drei Monaten wird er nach erfolgten Impfungen in ein belgisches Wolfszentrum kommen, wo ich für ihn einen Lebensplatz organisiert habe“, erklärt die Pflegerin. Dort lebt auch bereits ein anderer kleiner Wolf aus Brandenburg, den Askani im Wildpark aufgezogen hat.
Mit den anderen Wölfen im Wildpark wird Nuka während seines Aufenthalts keine Bekanntschaft schließen. Da er nicht auf Dauer bleiben wird, werde „von einer Vergesellschaftung, die immer auch Risiken mit sich bringt“, abgesehen. „Die anderen Wölfe wissen natürlich von ihm – sie beriechen mich intensiv, versuchen alles zu erfassen und wissen, dass ein Welpe in meiner Nähe ist“, so die Expertin.
Die Geschichte von Baby-Wolf Nuka löst Begeisterungswelle im Internet aus
Im Internet löst die Nachricht über den flauschigen Neuzugang im Wildpark sofort eine Welle der Begeisterung und des Mitgefühls für den Kleinen aus. „Der kleine Nuka ist bei euch in den besten Händen“, schreiben Fans der Wolfspflegerin bei Facebook. Oder: „Jetzt hat er die beste Adoptivmutter, die man so einem armen Baby wünschen kann“.
Auch ein anderer Kommentator findet: „Besser hätte er es als Alternative zu seinen Eltern nicht treffen können. Viel Glück für den kleinen Nuka.“ Denn Tanja Askani hat es mit ihrer Expertise schon zu einiger Bekanntheit gebracht, nicht zuletzt auch durch die Aufzucht von Wolfsmädchen Anuschka, ebenfalls ein Findelkind, die 2019 in ihrer Obhut zu einer stattlichen Wölfin heranwachsen durfte.
Auch dem beherzten Handeln der Wanderer wird bei Facebook der gebührende Respekt gezollt: „Aus tiefstem Herzen danke ich den Touristen, dass sie ihn gerettet haben, dass ihnen dieses winzige Wesen nicht gleichgültig war“, schreibt eine Frau. Insgesamt ist man sich einig, dass die Geschichte des kleinen Nuka letztlich eine gute Wendung genommen hat, auch wenn ihm viele ein Leben in Freiheit gewünscht hätten.
Einige wenden jedoch ein, dass er nun zumindest in Sicherheit leben kann, wenn auch nicht in Freiheit. Denn es kommt immer wieder vor, dass freilebende Wölfe illegal bejagt oder auf andere grausame Weise getötet werden, auch in Niedersachsen.
Wie Baby-Wolf Nuka aus Bayern verloren ging, ist derzeit noch unklar
Ob Nuka wirklich ein Waisenkind ist oder seine Eltern noch leben und ihn verloren haben, ist nicht bekannt. Laut einem LfU-Sprecher hat die genetische Bestimmung des Kleinen ergeben, dass es sich bei Nukas Mutter um eine in der Region bekannte Wölfin handelt. Sein Vater ist jedoch ein anderer Rüde als der übliche Partner der Wölfin – was unüblich ist, da sich Wölfe in der Regel ein Leben lang binden. Wolfsschützer sind besorgt, dass dem vorherigen Partner etwas zugestoßen sein könnte.
„Ich weiß nicht, warum die Situation für Nuka so dramatisch geworden ist“, sagt Tanja Askani. „Es wären nur Spekulationen, jetzt zu fantasieren, was passiert sein kann. Wölfe werden im Verkehr verletzt, angefahren, überfahren, Wölfe können sich bei der Jagd verletzen, Wölfe werden illegal verfolgt – wir wissen nicht, was mit den Eltern passiert ist.“